20180901 Irrgarten Schaukastenwechsel

Ein Irrgarten. Dein Leben.

Wer sich in einen Irrgarten hineintraut, kann rasch den Überblick verlieren. Zwischen den hohen Hecken oder Mauern ist der Aus- und Eingang schnell außer Sicht. Kein Wunder, dass der erste Irrgarten auf der griechischen Insel Kreta ein Gefängnis war. Der Sage nach wurde dort vor fast 5 000 Jahren Minotaurus, ein menschen-fressendes Ungeheuer gefangen gehalten. König Minos schickte alle Menschen, die er bestrafen wollte, ins Labyrinth, aus dem sie nicht mehr herausfanden, weil das Ungeheuer sie alle fraß. Der heldenhafte Theseus erklärte sich freiwillig bereit nach Kreta zu fahren um das Ungeheuer zu besiegen. Auf Kreta angekommen verliebte er sich in die Königstochter Ariadne. Als Theseus nun zum Kampf gegen den Minotaurus in das Labyrinth zog, schenkte ihm die Geliebte ein Knäuel roter Wolle, das er auf seinem Weg durch die Irrgänge abwickelte. So konnte Theseus, nachdem der Minotaurus besiegt war, entlang des Wollfadens den Weg aus dem Labyrinth zurück in die Freiheit finden.

Unser Leben gleicht oft einem Labyrinth.

Mehr noch als früher müssen wir in unserer modernen Zeit Tag für Tag Entscheidungen treffen. Immer seltener verläuft unser Leben auf vorgezeichneten, geraden Bahnen. Kaum etwas scheint Bestand zu haben für ein ganzes Leben. Wie in einem Irrgarten müssen wir immer neu unter vielen möglichen Wegen einen Weg auswählen.

Wofür soll ich mich einsetzen?

Welches berufliche Ziel soll ich ansteuern?

Wer kann mir helfen, aus einer schwierigen Situation herauszukommen?

Soll ich in einem Streit nachgeben oder muss ich auf meinem Recht beharren?

Wofür gebe ich mein Geld aus?

Auf welche Freundschaften und Beziehungen soll ich mich einlassen, welche Menschen lasse ich links liegen?

Wie kann ich mir selber treu bleiben und zu meinen Hoffnungen und Idealen stehen? Soll ich mich dem beugen, was die Mehrheit tut, oder soll ich gegen Konventionen verstoßen?

Wie in einem Labyrinth können wir oft nicht sehen, wohin die Wege letztlich führen. Ja, manchmal haben wir sogar den Eindruck, wir hätten uns völlig verlaufen oder seien in einer Sackgasse gelandet. Zum Beispiel dann, wenn man den Arbeitsplatz verliert, wenn eine gute Freundschaft oder eine Ehe zerbricht, wenn eine Krankheit dazu zwingt, Dinge, die einem lieb und wichtig waren, aufzugeben. Wie oft wähnten wir uns nicht schon an einem wichtigen Ziel angekommen, doch dann nahm der Weg eine plötzliche Wendung und führte uns ganz woanders hin und zwang uns zu neuer Orientierung.

Wie können wir uns im Labyrinth unseres Lebens zurechtfinden? Wie kommen wir weiter, wenn wir scheinbar in eine Sackgasse geraten sind?

Am Ziel unseres Lebensweges, steht nicht der Tod, steht nicht ein lebensvernichtendes Ungeheuer wie im Labyrinth des Königs Minos auf Kreta, von dem die griechische Sage berichtet. Am Ziel unseres Weges steht das Leben in der Gemeinschaft mit Gott. „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17, 28), so sagte es der Apostel Paulus bei seiner Rede in Athen. Gott hat uns aus Liebe in die Welt gerufen, liebevoll hält er unser Leben in seiner Hand. Diese Liebe unseres Vaters im Himmel ist der rote Faden, der uns durch alle Fragen und Prüfungen des Lebens hindurch führen will.

Das Kreuz in der Mitte des Labyrinths will uns Jesus Christus als Beispiel eines solchen Lebens aus der Liebe Gottes und in der Liebe zu Gott vor Augen stellen. Als Mensch ist Jesus nach dem Willen des Vaters wie wir in das Labyrinth dieser Welt hineingeboren worden. „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3, 16).

An der liebenden Hand des himmlischen Vaters hat Jesus seinen Weg gefunden. Anders als Theseus hat er nicht auf Kraft und Stärke gesetzt, sondern auf Güte und Barmherzigkeit. Leid und Schuld, so war seine Botschaft, kann man nicht mit dem gezückten Schwert besiegen, sondern nur durch Zuwendung und Liebe heilen und versöhnen.

Ein moderner Text beschreibt diesen alles andere als normalen Weg Jesu in folgenden Zeilen:

Endlich einer, der sagt: „Selig die Armen!“
und nicht: Wer Geld hat, ist glücklich!

Endlich einer, der sagt: „Liebe deine Feinde!“
und nicht: Nieder mit den Konkurrenten!

Endlich einer, der sagt: „Selig, wenn man euch verfolgt!“
und nicht: Passt euch jeder Lage an!

Endlich einer, der sagt: „Der erste soll der Diener aller sein!“
und nicht: Zeige, wer du bist!

Endlich einer, der sagt: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt!“
und nicht: Hauptsache vorwärtskommen!

Am Karfreitag endete dieser Weg Jesu scheinbar in der letzten großen Sackgasse, die wir in unserem Leben kennen. Doch die Liebe Gottes ist so mächtig, dass sie auch aus dem Tod den Weg in ein neues Leben eröffnen kann.

Und so gilt nach Ostern nicht mehr:

Was tot ist, ist tot!, sondern:

„Wer an mich glaubt, wird leben in Ewigkeit“ (vgl. Joh 11, 25).

Das letzte große Ungeheuer, der Tod, ist besiegt.

Der rote Faden durch das Labyrinth unserer Welt, durch das Labyrinth unseres Lebens ist ausgelegt. Jesus Christus hat uns gezeigt, wie menschliches Leben unter der Führung Gottes gelingen kann.